So beeinflusst Licht unseren Schlaf- und Wachrhythmus
Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution einen Überlebensvorteil geschaffen, indem er sich an die zeitlich variierenden Umgebungsbedingungen, wie etwa den Wechsel zwischen Tag und Nacht, angepasst hat. Diese zeitliche Organisation des Organismus wirkt sich auf eine Vielzahl körpereigener Prozesse aus, wie etwa Zellteilung, Herzschlag, Atmung, Schlafverhalten oder auch den Hormonspiegel.
In diesem Artikel erfährst du, welche Rolle Licht für unseren biologischen Tag-Nacht-Rhythmus spielt und warum dieser heutzutage leicht aus dem Gleichgewicht geraten kann.
Licht als Taktgeber für unsere innere Uhr
Dank Wissenschaftlern, wie Hoff, Hollwich und Hattar et. al., wissen wir heute, dass das menschliche Auge Lichtimpulse aus der Umgebung an unsere innere Zentraluhr weiterleitet, welche wiederum eine Reihe zeitbezogener Körperfunktionen steuert. Durch seine innere Uhr kann sich unser Körper besser auf bevorstehende Ereignisse, wie Erholungs- oder Aktivitätsphasen, vorbereiten und z.B.: entsprechende Hormone produzieren und ausschütten.
Dabei kann unser Auge nicht nur zwischen Tag (Licht da) und Nacht (Licht weg) unterscheiden, sondern z.B. auch zwischen morgens, mittags und abends. Das liegt vor allem daran, dass die Zusammensetzung des Sonnenlichts je nach Tageszeit unterschiedlich ist (Siehe auch den Artikel “Diese Rolle spielt Licht bei unserer Gesundheit”). Man ist sich in der Wissenschaft mittlerweile einig, dass das Blaulicht dabei der wichtigste Anhaltspunkt für die innere Zentraluhr ist und dem Körper den entscheidenden Hinweis über die aktuelle Tages- und Jahreszeit liefert. Ein weiterer wichtiger Informant ist das Rotlicht.
Die Morgensonne enthält beispielsweise einen hohen Rotlichtanteil, der nach der dunklen Nacht wie ein natürlicher Wecker auf uns wirkt: So werden in unserem Körper eine Reihe energieerzeugender Vorgänge ausgelöst, die unseren Körper auf den bevorstehenden Tag vorbereiten.
Gegen Mittag nimmt das blaue Licht im Sonnenlicht stark zu: Dieser hohe Blaulichtanteil signalisiert unserem Organismus, dass es noch einige Stunden dauern wird, bis die Nacht wieder einkehrt. Der Körper verbraucht in diesem Zeitraum besonders viel Energie, um einen maximalen Wachheitszustand aufrechtzuerhalten. Dies soll den Organismus auch vor potentiellen Gefahren schützen, die beim Einschlafen in der Mittagssonne durch übermäßige Hitze oder Sonneneinstrahlung drohen könnten. Ein hoher Blaulichtanteil steigert also unsere Aktivität, versetzt den Körper jedoch auch in ständige Alarmbereitschaft.
Sobald die blauen Lichtspektren gegen Abend wieder abnehmen und das Rotlicht erneut überwiegt, schlussfolgert unser Körper, dass die Nacht bevorsteht und er kann beginnen die nächtliche Regenerationsphase einzuleiten.
Künstliches Licht: ein Irrlicht, wie es im Buche steht
Mit der Kontrolle des Feuers begann der Mensch seine Welt eigenständig zu beleuchten, was ihm ermöglichte, auch nach Sonnenuntergang noch sehen und Tätigkeiten nachgehen zu können. Das ist auch heute noch so, allerdings mit zwei bedeutsamen Unterschieden:
Einerseits verbringen die meisten Menschen heutzutage die meiste Zeit ihres Tages drinnen und somit auch größtenteils außerhalb des Sonnenlichts. Andererseits weisen die meisten künstlichen Lichtquellen, die wir hierzulande aktuell nutzen, kein natürliches Lichtspektrum mehr auf. Sie enthalten einen hohen Blaulichtanteil, der den ganzen Tag über konstant hoch ist. Dies trifft z.B. auf LEDs zu und dadurch auch auf Fernseher, Computer, Smartphones und Co. (Wenn du mehr über die Unterschiede von natürlichem und künstlichem Licht erfahren möchtest, dann kannst du dir unseren Artikel “Diese Rolle spielt Licht bei unserer Gesundheit” durchlesen).
Da viel Blaulicht unserem Organismus signalisiert, dass es mitten am Tag ist und er noch mehrere Stunden aktiv sein muss, produziert unser Körper in dieser Zeit auch besonders viel Energie, um wach zu bleiben. Das klingt erst einmal nicht verkehrt, wenn man acht Stunden Büroarbeit vor sich hat. Doch so verlockend der liebevoll genannte „Licht-Espresso“ auf den ersten Blick auch erscheinen mag, er hat auch seine Schattenseiten.
Der dauerhafte Turbogang bedeutet für unseren Körper vor allem auch jede Menge Stress. Indem wir unseren Körper mehrere Stunden am Tag und vor allem auch kurz vor dem Schlafengehen – durch einen letzten Blick aufs Handy – in diesen Zustand versetzen, nehmen wir ihm wichtige Ruhephasen und die Möglichkeit, die nächtliche Regeneration einzuleiten. Unabhängig davon, ob wir trotzdem schnell einschlafen können oder nicht, setzt die Erholungsphase auf Zellebene erst viel später ein und findet mit der Nachttischlampe am Morgen ein sehr abruptes Ende.
Ergo: Unser Körper kann über die Nacht nicht genügend Kraftstoff auftanken, um am Tag ausreichend Energie zum Wachbleiben zu erzeugen. Ein Musterbeispiel für einen Teufelskreis, der chronische Erschöpfungszustände, ein hohes Stressempfinden, Schlaflosigkeit und emotionale Verstimmungen zur Folge haben kann.
Lichthaushalt verbessern - das sind die Optionen
Das Ideal wäre selbstverständlich, zurück zu einem rundum natürlichen Lebensstil zu wechseln, sprich den ganzen Tag draußen zu verbringen und sich keinem künstlichen Licht auszusetzen. Doch dies ist für viele unter uns weder mit dem Berufs- noch mit dem Privatleben vereinbar. Wer nicht komplett aus der digitalen Welt aussteigen will, der muss lernen, künstliches und natürliches Licht richtig zu dosieren, wenn er seinen Körper entlasten möchte.
Die goldene Regel lautet: So viel Zeit wie möglich im Freien verbringen – idealerweise zum Sonnenauf- und Sonnenuntergang. In einem zweiten Schritt sollte der Konsum von künstlichem Licht vor allem am Abend auf ein Minimum reduziert werden. Wenn nicht auf künstliches Licht verzichtet werden kann oder wer in manchen Situationen nicht darauf verzichten möchte, der kann die negativen Auswirkungen mit ein paar einfachen Hacks verringern.
Abhilfe schafft z.B. das Anpassen der Farbtemperatur von Displays (z.B. f.lux oder Iris), das Einsetzen von Leuchtmitteln mit einem möglichst natürlichen Farbwiedergabeindex (CRI oder ra >95) und – last but not least – das Nutzen einer Blueblocker-Brille und einer Rotlichtlampe.
Mit Lichttherapie den Schlaf-/Wachrhythmus unterstützen
Wenn du – aus welchen Gründen auch immer – gerade nicht die Möglichkeit hast, dich von dem natürlichen Sonnenaufgang wecken zu lassen, dann nutze Rotlicht als erste Lichtquelle am Morgen. Schalte das Rotlicht mit dem ersten Weckerklingeln an und lasse die roten Lichtstrahlen auf deinen Körper einwirken. Ähnlich wie bei der Morgensonne, wirkt das Rotlicht auf deinen Organismus wie ein sanfter Wecker und bereitet ihn auf den bevorstehenden Tag vor. Besonders praktisch bei dieser Art von Anwendung: Sie nimmt quasi keine Zeit in Anspruch, da du nebenbei deiner täglichen Morgenroutine nachgehen kannst….. Du kannst dir dabei die Zähne putzen, dich anziehen...
Morgensonne: @imsdot via Twenty20
Büro: @tanagorn.chinamornlert via Twenty20
Quellenangaben:
- WHITTEN, Ari (2018): The Ultimate Guide to Red Light Therapy. Archangel Ink.
- WUNSCH, Alexander (2019): Die Kraft des Lichts. Warum wir Licht brauchen und schlechtes Licht uns krank macht. 1. Auflage. riva: München.
- WUNSCH, Alexander (2017): Licht und Gesundheit 2017 - Wie gesund ist unsere Beleuchtung? vimeo.com